Körper erzählen von Vergänglichkeit

Ein Bericht über mich im GÄUBOTE , anlässlich einer Ausstellung meiner Arbeiten in Breitenholz, 2010

Momente des Glücks oder der Verzweiflung – alles vergeht. Wie kann man ihnen Dauer verleihen? Eine Methode, welche schon die alten Ägypter anwandten, fasziniert auch Anja Kusterer aus Kayh. In einer Ausstellung in der Kunstschule in Breitenholz zeigt sie Abgüsse von Gesichtern, Händen, Füßen und Brüsten.

Alle Babys werden einmal erwachsen. Paare, die sich an ihrem schönsten Tag die Hände reichten, geraten in Streit. Nasen, die zu lang geraten, werden operiert. Bäuche, die sich in der Schwangerschaft wölbten, werden wieder flach. All die Momente des Glücks, der Trauer, des Zorns – sie vergehen. Doch sie hinterlassen im menschlichen Körper Spuren, in ihm prägt sich ein, was Menschen erleben, in ihm wird das Vergehen der Zeit sichtbar.

 

 

Der Körper verändert sich ständig, und das wird oft als Verlust empfunden. In das Atelier für Abformungen von Anja Kusterer kommen Menschen, die festhalten möchten, was ihnen lieb ist, sei es nun das Aussehen des Körpers oder die darin eingeprägten Erlebnisse und Erfahrungen. In der Ausstellung kann man betrachten, was Menschen lieb und teuer ist: Niedlich geballte Fäustchen, zartgliedrige Füßchen von Säuglingen. Hände, die zur Trauung liebevoll ineinander liegen, auch einzelne Hände, die in ihren Gesten ganz Unterschiedliches ausdrücken. Sie fangen etwas auf, umgreifen etwas, wirken nachdenklich oder ruhig, spannen sich zu rhetorischer Geste an oder liegen kraftlos da. Sie erzählen von ihrem Besitzer, mehr noch vermögen dies die Abformungen von Gesichtern: hier sieht man Trauer oder Zufriedenheit, jede noch so unscheinbarste Falte und Runzel, jede Unreinheit, jede Pore der Haut ist festgehalten. Die Feinheiten des Körpers sind so genau wiedergegeben, dass man den Abguss kaum vom lebenden Menschen unterscheiden kann. Das ist faszinierend, aber natürlich Illusion: Das Dasein erstarrt für einen winzigen Augenblick in der Form. Die Zeit selbst lässt sich nicht anhalten, der Mensch verändert sich immer.

 

Die Abformungen stellt Anja Kusterer mit Alabastergips her, den schon die Ägypter verwendeten. Sie werden ausgegossen in Silikon, Beton oder Kunststoff, anschließend werden sie angemalt. Ein Gesicht abzuformen dauert 20 Minuten, verrät Anja Kusterer. Sie trägt den Gips sorgfältig wie eine Modelliermasse auf, Gipsbinden wären fürs Gesicht viel zu grob und werden nur bei großen Arbeiten verwendet. 

 

Einige „weise Frauen“ sind handmodelliert und zeugen damit von eigenen Gestaltungsideen. Hier löst sie sich vom menschlichen Vorbild, die reduzierten weiblichen Figuren werden mit Ton geformt, in Haltung und Ausdruck unterscheiden sie sich. Ein kleiner politischer Beitrag findet sich in einem Relief, welches das Profil von Angela Merkel zeigt, dem eine gelbschwarze Sprechblase beifügt ist. Wie beim Zebra Humorvoll nimmt Anja Kusterer die menschliche Nase ins Visier: Sie bemalt verschiedene Nasenabformungen mit Zebrastreifen, und man muss ihr darin zustimmen, dass die Mittelfurche auf der menschlichen Nase eine starke Verwandtschaft mit dem Nasenrücken des Zebras aufweist. Eine nette Idee, wie auch das Angebot von Gutscheinen, die zum Beispiel gern von Großeltern erworben werden, welche die Füßchen ihres Enkels für alle Zeit bewundern möchten.

 

Von Gabriele Pfaus-Schiller